Der größte Fehler beim Onboarding ist, überhaupt keines anzubieten. Hört sich banal an, ist es aber offenbar nicht. Laut Haufes Onboarding-Studie 2023 haben nur 17 Prozent der befragten Unternehmen ein eigenes Onboarding-Budget, lassen sich also die professionelle Begrüßung und Einarbeitung neuer Mitarbeitender etwas kosten. Gleichzeitig geben 21 Prozent der Befragten an, dass neue Beschäftigte das Unternehmen schon mal schnell wieder verlassen haben, weil es kein professionelles Onboarding gab. In Zeiten von Fachkräftemangel und wachsender Frühfluktuation, in denen es auf die nachhaltige Bindung jedes einzelnen Mitarbeitenden ankommt, ist das ein grobes Versagen.
1. Entwickeln Sie eine Strategie
Eine klare Strategie für eine einheitliche, unternehmensübergreifende Onboarding Journey gehört dringend in den Fokus von HR. Je wichtiger gutes Onboarding im War for Talents wird, desto weniger sollte man die Onboarding-Qualität im eigenen Unternehmen den individuellen Fähigkeiten einzelner Fachabteilungen überlassen. Bislang aber kümmert sich laut Haufe-Studie nur bei einem Viertel der Firmen die Personalentwicklung übergreifend um einen strukturierten und einheitlichen Onboarding-Prozess. Mit anderen Worten: Bei rund 75 Prozent der Unternehmen werden die Umstände des beruflichen Einstiegs dadurch bestimmt, wie gut oder schlecht sich die jeweilige Führungskraft und/oder das direkte Team um die neuen Kolleginnen und Kollegen kümmern.
Für Judith Reckert, Head of Employer Branding bei Crossmedia, ist das ein No-Go. Schon vor der Pandemie hat die Agentur einen „hohen Aufwand für eine konsistente Onboarding-Strategie und strukturierte Onboarding-Prozesse“ betrieben. Mit steigender Flexibilisierung der Arbeitsmodelle seit Corona hat der Druck auf dem Kessel noch mal deutlich zugenommen. Reckert: „In einer Zeit, in der Mobile Office weit verbreitet ist, gestaltet sich das Ankommen in der Agentur, die Vernetzung untereinander und das Eintauchen in unsere Kultur mitunter als Herausforderung.“ Entsprechend transparent müssten die Details zu den Arbeitsabläufen kommuniziert werden, entsprechend vereinheitlicht haben Reckert und ihr Team alle Onboarding-Elemente. Dazu zählen Checklisten, ein digitales Factbook im Intranet, ein Patensystem sowie regelmäßige Feedback-Gespräche über alle Phasen des Onboarding-Prozesses. Gerade Feedback-Kanäle sind – übrigens nicht nur beim Onboarding – essentiell, um schnelle Seismografen zur Fluktuationsvorbeugung zu haben.
2. Das richtige Timing
Es gibt tatsächlich noch immer Unternehmen, die ihre Neuankömmlinge erst einmal monatelang sammeln, um dann drei- bis viermal pro Jahr eine Art Gruppen-Onboarding-Event zu veranstalten. Weniger vom Empfänger her denken, kann man eigentlich gar nicht mehr. Doch auch wer glaubt, mit dem Onboarding erst an Tag eins des Jobantritts starten zu müssen, hat eigentlich schon verloren. Laut Haufe klagen 36 Prozent der befragten Unternehmen über Kündigungen neuer Mitarbeitender zwischen Vertragsunterschrift und erstem Arbeitstag.
„Die Beschäftigten sollen sich bereits vor ihrem Start mit Vodafone verbunden fühlen, damit wir eine Frühfluktuation verhindern.“
– Joline Strempel, Koordinatorin Onboarding bei Vodafone
Die Konsequenz: Preboarding, also der kontinuierliche Kontakt zu neuen Mitarbeitenden bereits unmittelbar nach Vertragsunterschrift, wird zu einem immer wichtigeren Teil des Onboarding-Prozesses. Joline Strempel, Koordinatorin Onboarding bei Vodafone, hält die frühe Mitarbeitendenbindung sogar für einen „zentralen Aspekt des Onboardings“. Seit Jahresbeginn hat der Konzern seinen Fokus auf das Preboarding deshalb nochmals verstärkt. „Die Beschäftigten sollen sich bereits vor ihrem Start mit Vodafone verbunden fühlen, damit wir eine Frühfluktuation verhindern“, so Strempel.
3. Der richtige Ort
Wegen Homeoffice und flexiblen Arbeitsmodellen deutlich schwerer geworden ist die Wahl des richtigen Orts für Onboarding-Maßnahmen. Als einzige Faustregel gilt: Individualität. So wie die gesamte Onboarding Journey zur jeweiligen Unternehmenskultur passen muss, so müssen auch die Orte dafür bestimmt werden.
Bei McCann etwa schwört man auf persönliches Onboarding. Astrid Severin, Senior Manager Talent Acquisition, sagt: „Wir haben seit rund zwei Jahren kein virtuelles, sondern ein persönliches Onboarding.“ Am ersten Starttag seien das künftige Team und HR persönlich im Office, um ein gutes ‚Welcome‘-Gefühl zu vermitteln. „Wir legen großen Wert auf persönliche Treffen zum Onboarding, wie etwa ein Treffen mit dem CEO oder der Agenturführung“, so Severin. Auch sie selbst begrüßt die Neuankömmlinge stets persönlich und begleitet sie später zur IT. „Ich schaffe eine lockere Atmosphäre, schließlich ist der erste Arbeitstag wie der erste Schultag.“
Ganz anders verläuft das Onboarding seit der Pandemie bei Vodafone. René Hörich, Spezialist Onboarding beim Telekommunikationskonzern, sagt: „Durch die Coronapandemie ist das Konzept von heute auf morgen auf den Kopf gestellt worden. Wir haben das virtuelle Onboarding beibehalten, da sich gezeigt hat, dass es funktioniert.“ Schon vor der Pandemie konnte bei Vodafone bis zu 50 Prozent aus dem Homeoffice gearbeitet werden, mittlerweile gibt es gar keine Vorgaben mehr. „Somit ist es sinnvoller, das Onboarding für alle virtuell anzubieten“, glaubt Hörich.
4. Niemanden vergessen
Besonders fatal ist, wenn das Onboarding von neuen Führungskräften nicht funktioniert. Denn schlecht oder zu spät integrierte Leader drohen nicht nur, schnell wieder zu wechseln, sondern ziehen vorher oft auch noch das ganze Team runter. Petra Abeln, Coachin für Führungskräfte und Unternehmen, hat das in ihrer Beratungstätigkeit mehrfach erlebt: „Auf Führungsebene wird kaum ein Gedanke an strukturiertes Onboarding verschwendet.“ Dabei führe eine unzureichende Einbindung häufig zu „Demotivation auf vielen Seiten mit eklatanten Auswirkungen“. Ein mangelnder Onboarding-Prozess von Führungskräften kann besonders hohe Folgekosten und ansteigende Fluktuation produzieren.
Laut Boris Stojevic, Head of Recruiting, Talent Management & Training bei Nestlé Deutschland, hat das Onboarding neuer Führungskräfte hohe Priorität: „Wir bieten innerhalb der Probezeit ein 12-wöchiges Coaching an, bei dem die Führungskraft mit zentralen Aspekten unserer Unternehmenskultur vertraut gemacht wird.“ Ziel sei es, ein modernes Führungsverständnis auf allen Ebenen der Organisation zu etablieren, so Stojevic. Und damit letztlich natürlich auch die Produktivität zu steigern.
Vodafone-Managerin Strempel formuliert es so: „Das Onboarding sollte eine einfache Einführung in die neuen Aufgaben und Verantwortlichkeiten bieten und zudem die neuen Mitarbeitenden emotional mitnehmen, da so die Motivation gesteigert wird.“ Schließlich solle auch die Personalsuche „schnellstmöglich Früchte tragen“, da sie oft mit viel Engagement sowie hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden sei. Mit anderen Worten: Eine konsistente Onboarding Journey ist kein Nice to Have, sondern ein klarer wirtschaftlicher Faktor.